„Wir neigen dazu, Erfolg eher nach der Höhe unserer Gehälter oder
herauskommen …
Seien wir ehrlich: Natürlich fällt es mir angesichts der dramatischen Bilder und der brisanten Weltlage schwer, immer gelassen zu bleiben. Aber wir dürfen unser Tagesgeschäft nicht vergessen und vor allem auch die Zukunft nicht aus den Augen verlieren. Nach zwei Jahren Pandemie sind wir alle gestresst und möchten in diesem Sommer wieder durchstarten können. Worauf die Gastrobranche hofft, wie sie sich vorbereitet und was sich die Verantwortlichen wünschen, erfahren Sie im Interview mit Monika Poschenrieder von der DEHOGA Bayern.
Erneut unter Druck kommen leider die Lieferketten. Der Ausfall von LKWs und von hunderttausenden ukrainischen Fahrern bremst den Nachschub. In China wurden Corona-bedingt abermals zig Millionenstädte abgeriegelt und Häfen (u. a. Shanghai) geschlossen, auf den Weltmeeren stehen Hunderte von Containerschiffen still. Wir berichten über Lösungen, die Spediteure, Lieferanten und PMM gemeinsam gesucht und gefunden haben. Last but not least geht es selbstverständlich um Ernten und Preisentwicklungen der Produkte, die wir importieren und für Sie in den Handel bringen. Wir präsentieren dazu Fakten und Zahlen, hintergründig recherchiert und top-aktuell, damit Sie die richtigen Entscheidungen treffen können. Vielleicht kann jeder ein wenig zur Entspannung beitragen, um trotz erster Engpässe und Hamsterkäufe glimpflich aus diesem Wahnsinn herauszukommen.
Fehlender THUNFISCH
Aktuellen Informationen vom Haupthandelsplatz Bangkok zufolge klettert der Rohwarenpreis für Thunfisch der Sorte Skipjack (SKJ) auf 1750 US$/to. Marktkenner erwarten einen weiteren Preissprung auf bis zu 2000 US$/to. Eine Entspannung ist nicht in Sicht. Die Gründe sind schwache Fangergebnisse im Westpazifik (Fanggebiet FAO 71) sowie voraussichtlich vor Westafrika (FAO 34). Denn Anfang dieses Jahres galt dort ein dreimonatiger „FAD ban“ (Verbot der gängigen Thunfisch-Fangmethode mittels Fischfängern, engl. Fish Aggregating Device). Hinzu kommen anhaltend steigende Rohöl-Preise für die Fangflotten. Die Situation verschärft sich weiter durch Lieferengpässe bei Sonnenblumenöl, das hauptsächlich aus der Ukraine stammt.
DUNKLE Tomaten WOLKEN
Die Wolken über dem Tomaten-Himmel sind momentan so dunkel wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Sechs Monate vor dem Start der neuen Erntesaison ist der Markt für Industrieware wie gelähmt. Die Prognosen sind düster. Die Preisverhandlungen für frische Ware aus der Ernte 2022 zwischen Farmern und Herstellern stocken oder sind noch nicht abgeschlossen. Ob die Verträge erfüllt werden können, steht für viele Marktkenner in den Sternen.
Bei Tomatenmark gibt es keine Bestände mehr, jeder sucht nach Ware. Das Ursprungsland China spielt wegen hoher Frachtkosten derzeit keine Rolle, die Ukraine als Lieferant für Industrieware fällt aufgrund der gegenwärtigen Lage ebenfalls aus. Das Problem: „Tomatenmark ist dort im Lager“, weiß ein Insider, „die Auslieferung ist momentan jedoch nicht möglich“. Ob es dort zu einer neuen Aussaat für Tomaten kommen wird, sei mehr als unsicher. Für Produkte wie Passata oder gehackte Tomaten gibt es einige Restbestände aus umgefüllter Ware, die jedoch nur für wenig Entlastung sorgen können.
Um so aktueller ist unser neues »Tomaten Special«: Darin erfahren Sie, welche Alternativen Sie beispielsweise anstelle von Schältomaten verwenden können.
Der Wassermangel in Spanien sorgt weiter für enormen Druck auf die Bauern. Es könnte sein, dass sie statt Tomaten vermehrt Getreide anbauen. Unabhängig davon bleiben die größten Probleme weltweit für alle Tomatenprodukte die Themen Verpackung (Karton, Glas, Leerdosen) und Energie. „Diese Kosten sind außer Kontrolle“, sagt der Marktbeobachter, das werde sich auf die Produktionskosten insgesamt auswirken. Der Energieträger Gas sei vor allem bei der Herstellung von Tomatenmark wichtig.
Überschattet wird das Szenario außerdem von den Höchstpreisen für Leerdosen (siehe Grafik). Wir von PMM müssen Kaufentscheidungen und Preise derzeit täglich aktualisieren. Die nächsten drei bis vier Wochen werden entscheidend sein.
Unsichere ARTISCHOCKEN
Wie von uns schon im Januar-Marktbericht vorhergesagt, schießen die Preise für Artischocken in allen Ursprungsländern weiter nach oben. Das liegt zum einen an den ungünstigen klimatischen Verhältnissen, zum anderen an den nach wie vor hohen Energie- und Verpackungskosten. Es gibt kaum Angebote für Industrieware. Die Erntemenge, mit der die Verarbeiter rechnen können, ist drastisch reduziert. Und das Problem teurer Leerdosen schlägt auch in diesem Warenbereich durch. Momentan sind keine verlässlichen Mengen- bzw. Preisverhandlungen möglich.
TEURE Ananas
Die Rohwarenpreise für Ananas liegen Informationen aus Thailand zufolge sehr hoch: zwischen 7,70 und 8,00 Thai Baht/kg. Das Warenangebot ist knapp, es fehlen vor allem Arbeitskräfte (nach wie vor gelten z. B. Einreiserestriktionen aus Myanmar), und die Fabriken sind trotz Überstunden nur zu 70 % ausgelastet. Nun blickt jeder gespannt auf die Sommerernte, deren Höhepunkt von Mai bis Ende Juni ist. Wird es eine Trendumkehr beim Preis geben? Marktkenner bleiben skeptisch angesichts der Leerdosen-Problematik (Verfügbarkeit sowie anstehende Preiserhöhungen).
Geknickter MAIS
Die Turbulenzen im Weltmarkt für Mais halten uns als Importeur auf Trab. Zumal die Nachfrage im Industriebereich genauso hoch ist wie im LEH. Gemüsemais in der Konserve ist entweder kaum nachzubestellen oder sehr teuer.
Wie hängt das zusammen? Die Ukraine ist, zusammen mit den USA, Haupt-Maislieferant für China. Im letzten Jahr betrug der Anteil aus der Ukraine 27 % (2020 sogar 57 %). Dieser Import fällt derzeit aus, und somit steht weniger Mais als Rohware für China zur Verfügung. Der Verbrauch erfolgt nun verstärkt im eigenen Markt, aufgeteilt in folgende Bereiche: rund 60 % Futtermittelproduktion, 30 % industrielle Verarbeitung sowie knapp 10 % Frischemarkt. Dosenware wird nur noch vermindert exportiert, und der Teil, der aus China Richtung Europa kommt, wird noch einmal teurer aufgrund hoher Frachtraten sowie steigender Kosten für Energie (Öl) und Verpackungen. Zudem lohnt es sich derzeit für die Fabriken in China kaum, Dosenware herzustellen, da im Frischemarkt höhere Preise zu erzielen sind.
Thailand als Ausgleich kämpft selbst mit hohen Produktionskosten (teilweise prozentual zweistellig bei Energie, Löhnen, Dosenblech) und liegt bei der Endfertigung im Preisniveau länger schon über China. „Das ist ein großes Problem. So lange die Abnehmer nicht bereit sind, höhere Preise in dem Riesenland zu entrichten, sind die Fabriken dort auch nicht gewillt, mehr zu produzieren“, erklärt ein Insider. Für Thailand gelten außerdem die 2019 wieder eingeführten Strafzölle der EU auf verarbeiteten Mais. Das erhöht den Preisdruck zusätzlich.
Zurück in Europa: In Ungarn gibt es Mais, die neue Ernte scheint gut anzulaufen. Jedoch wurden auch hier bereits jetzt deutlich höhere Preise für die Dosenware angekündigt.
INTERVIEW
WIR MÜSSEN im Flow bleiben
Wir alle hoffen auf diesen Sommer. PMM wollte von der Gastronomie direkt erfahren, welche Erwartungen und welche Wünsche es gibt. Lesen Sie unser Exklusiv-Interview mit Monika Poschenrieder, Inhaberin des Forellenhofs Walgerfranz (Bad Tölz) und Fachbereichsvorsitzende Gastronomie im Deutschen Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA (Bayern).
PMM: Frau Poschenrieder, nach zwei Jahren Pandemie hofft jeder in der Branche auf einen Neustart in diesem Jahr. Worin besteht für Sie die größte Herausforderung? Welche Chancen bieten sich?
Monika Poschenrieder:
Die erste Herausforderung ist es, den eigenen Betrieb wieder in eine normale Phase zu steuern. Noch sind nicht alle Mitarbeiter da und das Gästeverhalten ist unsicher.
Und natürlich herrscht eine große Unsicherheit aufgrund der vielen Preissteigerungen. Lieferanten müssen ihre Preise anpassen, das macht sich beim Wareneinkauf eklatant bemerkbar.
Aber auch der technische Bereich wird immer teurer, der Kundendienst, die Wartung und der Neukauf von technischen Geräten. Das alles müssen wir mit einpreisen – d. h., wir brauchen einen Betrieb, der zu 100 % läuft.
Sie kennen als Restaurant-Unternehmerin und als verantwortliche Fachexpertin im Dehoga-Verband die Gemütslage der Branche und der Mitbewerber. Wo drückt der Schuh am meisten?
Grundsätzlich ist es so, dass viele Unternehmen Mitarbeiter verloren haben. Die meisten Aushilfen sind weg. Man muss sich neu sortieren, allerdings mit angezogener Handbremse weil weniger
los ist. Alle hoffen auf eine gute Sommersaison, aber es gibt Anlaufschwierigkeiten. Und wir wissen nicht, was der nächste Herbst bringt. Jeder Betrieb muss im Flow bleiben, ständige Unterbrechungen sind schädlich und stören den gewohnten Rhythmus.
Was erwarten Sie von der Politik?
Wir würden uns einheitliche Regeln wünschen. Die Gäste rufen an und sind verunsichert, ob der stetig wechselnden Regelungen. Manchmal müssen wir jemanden wieder nach Hause schicken. Das ist unangenehm, weil wir unsere Gäste ja eigentlich willkommen heißen möchten.
Unser wichtigster Wunsch an die Politik jedoch wäre: Die Mehrwertsteuerreduzierung zu verstetigen und auch auf die Getränke auszuweiten. Die ganze Getränkebranche mit Diskotheken, Bars, Clubs war jetzt zwei Jahre im Lockdown und braucht dringend eine Perspektive. Es wäre ein starkes Zeichen, wenn es hieße: Auch bei Getränken gelten 7 %. Das könnte bei alkoholischen Getränken schwierig werden, aber man muss alles versuchen, damit die Kollegen wieder auf die Füße kommen.
Und was wünschen Sie sich ganz persönlich?
Ich persönlich wünsche mir mehr Arbeitszeitflexibilisierung. Aufgrund des Fachkräftemangels sehen wir, dass andere Zeitmodelle benötigt werden. Viele Mitarbeiter aus dem Ausland etwa würden viel lieber sechs Tage arbeiten und dafür mehr Urlaub haben, weil sie gerne nach Hause fahren möchten. Andere wollen vier volle Tage arbeiten und drei Tage frei haben. Das können wir aber aufgrund der starren Regelungen nicht machen. Wir fordern mehr Flexibilität und einen deutlichen Bürokratieabbau.
Unser Eindruck ist: In der Krise sind viele Beteiligte und Betroffene, vom Ursprung, über Import und Großhandel bis hin zu Gastronomie und Handel enger zusammengerückt …
Das stimmt! Wir haben sowieso ein gutes kollegiales Verhältnis untereinander in der Branche. In der Not rückt man zusammen, hilft sich, bespricht, was zu tun ist. Auch mit den Lieferanten. Das sind unsere Partner. Und wir wollen das aufrechterhalten.
Was haben Sie am meisten zu schätzen gelernt in der Krise?
Viele Kollegen haben zu schätzen gelernt, das Pausen gut tun und Zeit für anderes ermöglichen. Für die Familie zum Beispiel. Eine Chance ist sicher auch, wenn man die Zeit nutzt, intensiv über seinen Betrieb nachzudenken: Was sollte sich strukturell ändern, um mit den Herausforderungen besser zurechtzukommen – aber auch, um sich neu aufzustellen.
Ich glaube, die Krise bietet auch die Chance, den Betrieb zu erneuern und zu optimieren. Gerade die Jüngeren sind da sehr flexibel und für die klassischen Betriebe können Veränderungen auch von Vorteil sein, denn in Zukunft müssen wir uns auch viel intensiver mit den Themen Digitalisierung und Nachhaltigkeit beschäftigen.
Wir bedanken uns für das Gespräch.
Es MÜLLERT wieder
Gleich drei neue „Müllerinnen“ im PMM-Team: Das sind (v. l. n. r.) Katja Gartner und Jacqueline Neyra Rivera de Ofner (beide in der Abteilung Qualitätskontrolle) sowie Sarah Weitzbrich als Assistentin im Ein- und Verkauf. Und es folgt demnächst noch mehr, seien Sie gespannt. Wer nichts verpassen will: Jeden Freitag gibts auf unseren Social-Media-Kanälen unser „Früchtchen der Woche“ zu sehen 😉
Aufgepasst: Um die diesjährigen Osterfeiertage herum (15.-18. April) liegen zwei aufeinanderfolgende Vier-Tage-Wochen. Wir empfehlen Ihnen, jeweils einen Tag mehr für die reibungslose Disposition einzuplanen.
Zum guten Schluss bedanken wir uns bei unserer treuen Leserschaft und wünschen gutes
Gelingen in den nächsten Wochen trotz der schwierigen Umstände.
Reichen Sie diesen Marktbericht weiter – es lohnt sich.
Ihr Team von Paul M. Müller.
Obwohl wir die von uns beanspruchten Quellen als verlässlich einschätzen, übernehmen wir für
die Vollständigkeit und Richtigkeit der hier wiedergegebenen
Informationen keine Haftung.